Mein #KultBlick, eine Blogparade des ahm, nehme ich mir zum Anlass zu reflektieren was Kultur für mich ist. Ja, was ist es eigentlich? Beruf, Hobby, Passion und Last. Ja richtig gelesen aber eine Kombination dieser Schlagworte trifft es wohl. Doch mal von Anfang an…
Als Kind war Kultur ein Begriff, mit dem ich mich nicht zwangsläufig auseinandergesetzt habe. Zu abstrakt, nicht griffig. Die Inhalte hingegen nicht. Ich bin aufgewachsen mit Museumsbesuchen, mit spannenden Ausflügen auf Burgen, in Waffenkammern, in Gemäldegalerien, in zeitgenössische Ausstellungen – Kultur eben, aber für mich einfach nur Ausflüge in andere Welten, Parallelwelten. Das alles hatte wenig mit meinem Alltag zu tun, war eher eine Flucht aus diesem. Zusammenhänge habe ich erst später gezogen und analysiert, klar, eines bestimmten Alters bedarf es eben, um sich kritisch oder zumindest reflektiert mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen, zumindest wenn das unangeleitet geschieht.
Mein Schlüsselerlebnis pro Kultur (wie es Tanja Praske immer so passend als Schlagwort verwendet) war eine Ausstellung in 1992. Heinz Plank zeigte einige seiner ausdrucksstarken Radierungen und Ex Libris in der Galerie meines Heimatortes. Nicht unbedingt die Art Kunst, die 10-jährige anspricht. Wahrscheinlich dachten das auch die Galeristen, die ich mehrfach während der Ausstellungsdauer besuchte. Aber bei mir hatte diese Ausstellung etwas bewirkt. Die religiös inspirierten Motive, die dennoch eine Welt jenseits der bekannten biblischen Geschichten zeigte, hatten mich gefangen genommen. Und damit ein zentrales Thema der Kunstgeschichte. Nein, eigentlich DAS Thema: Religion bzw. Glauben. Für mich war das nicht nur der Beginn einer Leidenschaft für apokalyptische Themen, für expressive Zeichnungen und Grafik (und die Leipziger Schule), sondern auch der Beginn der reflektierten Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. Ich wollte mehr erfahren. In Vor-Internet-Zeiten – nochmal, ich spreche von 1992 – gar nicht so einfach. Aber nicht unlösbar, gelesen hatte ich schon immer gern und schon mit 7-8 Jahren lieber Sachbücher als Kinderbücher. Die Galerie wurde zu meinem wöchentlich festen Besuchsziel. Auch, wenn die Auswahl sich auf regionale Künstler beschränkte, eröffnete sie mir doch immer neue Themen der Kunst, die ich als Anlass nahm mich intensiver damit auseinander zu setzen.
Schlüssig ist, rückblickend zumindest, meine Studienwahl: Kunstgeschichte. Berufsziel unklar, aber erst einmal weiter mit dem beschäftigen, was mich seit Jahren fesselte. Mit Interesse und Begeisterung findet sich der Rest. Gedanken hatte ich mir über das spätere Berufsleben eh nicht gemacht, viel wichtiger ist es doch den eigenen Neigungen nachzugehen. Toll, wer sich dieser sicher ist.
Mein Blick auf die Kunst und Kultur war schon immer durch mein absolutes Interesse begründet. Mehr erfahren, über diese fremden Parallelwelten früherer Kulturen, anderer Kulturkreise, fremder Religionen und vor allem anderer Denkwelten. Ist es nicht genau das, was das Faszinierende der Kunst ist? In das Innere des Künstlers abzutauchen, um die eigene Welt durch andere Augen zu sehen?
Für mich ist exakt das immer wieder die Herausforderung. Was habe ich an Büchern gelesen, um den Interessen und Denkweisen der Künstler nachzuspüren! Was beschäftigte Menschen der jeweiligen Epoche, um solcher Art Kulturzeugnisse hervorzubringen? Was oder wer beschäftigt zeitgenössische Künstler, wer inspiriert sie zu solchen künstlerischen Äußerungen?
Ich kann gar nicht sagen, ob ich eine professionelle Haltung gegenüber der Kultur einnehme, wenn ich diese betrachte. Anke von Heyl und Tanja Praske hatten das beschrieben. Ihr Auge beginnt zu analysieren und der Kopf denkt. Ist es aber nicht bei jedem Menschen so? Klar, auch ich analysiere und wäge ab, vergleiche, ziehe Parallelen usw.. Aber liegt das am beruflichen Blick? Betrachtet nicht jeder jedes Objekt im Rahmen seines Wissens, seiner Erfahrungen und seines Kenntnisstandes? Ob das wirklich eine „Berufskrankheit“ ist? Ich glaube es nicht. Solang der Kunstgenuss nicht getrübt wird.
Ich bin noch immer das 10-jährige Kind. Dieselbe Begeisterungsfähigkeit, dieselbe Spannung für die Kulturzeugnisse, dieselbe Neugier, derselbe Wissensdurst – alles noch da. Ich habe es geschafft genau das über die letzten 25 Jahre zu erhalten. Das war nicht einmal anstrengend.
Anstrengung und Trübung kommt dennoch. Ich schrieb es oben, Kultur ist meine Last. In dem Moment, wo es darum geht Kultur als meinen Beruf zu sehen und das ist er ja, neben allem Interesse ist er auch mein Broterwerb. Wer ebenfalls in diesem Bereich arbeitet, weiß was ich meine mit Last. Befristete Verträge, Beschäftigungen entlanggehangelt an Forschungsprojekten, die mittendrin auch mal aus Kostengründen gestoppt werden und freiberufliche Aufträge, die so viel Akquise erfordern oder schlimmer noch Preisverhandlungen und Diskussionen um Honorare. In diesem Moment wird Kultur zur Last. Wäre es nicht adäquater als Hobby?
Aber das betrifft sicher nicht nur Kunsthistoriker und ähnliche Berufsgruppen. Eine Ausstellung, in der ich kürzlich einen Vortrag gehalten hatte, geht dieser Tage zu Ende. Sie war ausgesprochen gut besucht. Für regionale Künstler ist es durchaus als Erfolg zu bewerten, wenn bei der Vernissage eine dreistellige Besucherzahl anwesend ist. Auch während der weiteren Öffnungszeiten waren viele Interessierte da. Die Bilanz der Ausstellung ist dennoch ernüchternd: Kein einziger Verkauf. Ein Einzelfall? Ganz sicher nicht. Ich hatte über den Wert von Kunst schon einmal geschrieben, ist es doch etwas, das mir in meiner Arbeit immer wieder und in letzter Zeit immer häufiger auffällt: Keiner möchte für Kunst Geld ausgeben.
Kultur ist eben da. Als abstrakter Begriff. Fragen wir einmal auf der Straße was Kultur ist, wird wohl eine ähnlich nebulöse Vorstellung der Konsens sein, den ich damals als Kind hatte. Und wer möchte für Nebel – für Schall und Rauch – Investitionen tätigen. Ich lese in Zeitungen über Preisdiskussionen sogar im Museum. Da werden Fragen gestellt, ob ein Eintrittsgeld in Höhe einer Kinokarte gerechtfertigt sein kann, ob denn ein Museum so viel bietet wie ein Kinobesuch. In diesen Momenten, in denen wir beginnen solche Fragen zu stellen, wird Kultur zur Last. Nicht nur zur Last für jeden der im Rahmen dessen versuchen muss seinem Broterwerb nachzugehen, sondern zur Last für uns als Gesellschaft. Eine traurige Entwicklung, in der Kultur zu Last wird.
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Liebe Katja,
herzlichen Dank für diesen ganz persönlichen und wunderbaren #Kultblick! Und dass Du uns auf eine Reise, mit in deine Vergangenheit genommen hast! Ebenfalls sehr wichtig, die Debatte über Kultur und ihren „Wert“ zu führen und immer wieder anzustoßen! Wir freuen uns auf die Kommentare, den Austausch und noch viele weitere interessante Blogbeiträge!
Herzliche Grüße aus Hamburg
Katrin
Archäologisches Museum Hamburg
Liebe Katrin, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Der Wert der Kultur ist sicher eine eigene Blogparade wert. Vor allem ist dieses Thema sehr viel vielschichtiger als es auf den ersten Blick wirkt, eben weil so viele verschiedene Protagonisten betroffen sind. Vielleicht greift jemand dieses Thema mal intensiver auf, dazu gibt es sicher viel zu sagen aus den unterschiedlichsten Ecken. Würde ich mit Spannung lesen und sicher auch viele andere.
Herzlichen Dank für das Anstoßen der #KultBlick Parade. Katja
Liebe Katja,
ein sehr berührender und persönlicher #KultBlick – danke dafür! In vielen Punkten finde ich mich wieder. Auch ich wuchs mit Museumsbesuchen, Malerei, Kunst (Onkel war Künstler) und vielen Büchern auf. Schon verrückt wie das prägt, tatsächlich wurde daraus keine Berufung aber ein Beruf im Erwachsenenleben. Und ja, den Aspekt mit der Last kann ich gut nachvollziehen. Aber die Last sollte nicht so schwer werden und Kultur ist mehr als nötig in Zeiten wie diesen. Sorry, für die Platitüde, Julian würde mich jetzt wohl für die Floskel steinigen. Trotzdem – diese Blogparade bringt so viel Gutes zusammen und zeigt, was alles geht – Stoff für die Kulturpolitik da nachzufassen und mehr für die Menschen und ja, pro Kultur zu bewegen.
Du machst das mit deinen Gedanken hier, die anderen Teilnehmer von #KultBlick und die vielen, um ihren Lebensunterhalt kämpfenden Künstler und Kulturschaffende ebenso. Ja, wir müssen tatsächlich uns die Wirtschaft zunutze machen, denn die Kreativwirtschaft ist schon ein wichtiger Standortfaktor. Hier gäbe es einiges zu tun und uns Möglichkeiten für Kultur auch jenseits des Mainstreams zu schaffen.
Dir ein ganz herzliches Dankeschön!
Herzlich,
Tanja
Liebe Tanja, vielen Dank für deinen reflektierten Kommentar. Ich lese mit spannung die vielen anderen Beiträge der #KultBlick Parade. Da gibt es einiges an Anregungen und es entstehen neue Ideen. Daraus etwas tatsächlich zu bewegen ist die wirkliche Herausforderung. Herzlichen Dank für das Zusammenbringen der Beiträge, Katja
Da spricht mir vieles aus dem Herzen. Ja, ich kenne diese Zustände, das nicht-gut-hin-hören/sehen-können-sondern-sofort-analysieren-müssen auch als Musikerin zu gut, wie schnell hört man auf zu viele Kleinigkeiten, die man aus eigenem Erleben kennt. Ich versuche mich immer wieder, von diesem Detaillieren zu trennen, denn es bekommt dem Großen-Ganzen nicht, wieviel „verliert“ man doch dadurch. Auch die „Last“ kenne ich, wenn man im Rahmen freiberuflicher Projekte mit Honorar- oder auch einfach nur Kostenverhandlungen sehr viel Zeit und Überredungskunst verbringt… zum Glück werte ich das, was ich dabei ideell „verdiene“ höher als das Materielle (ich habe einen bezahlten Hauptjob und muss nicht zwangsläufig meinen Lebensunterhalt mit Extratouren bestreiten), nur wie lange können sich das Kulturschaffende noch leisten?
Diese Blogparade ist wieder ein wunderbarer Anlass, alle Bereiche, wie wir auf Kultur blicken, zu diskutieren. Vielen Dank für diese Gedanken. Nehmen wir die Herausforderung, wirklich etwas zu bewegen, an, denn (um die Platitüde (die für mich keine ist) von Tanja zu wiederholen: „Kultur ist mehr als nötig in Zeiten wie diesen“ … Herzliche Grüße, Susanne Schneider
Liebe Katja, liebe Mitlesende,
tja… „Wäre es nicht adäquater als Hobby?“ – Das habe ich mich oft gefragt, ob es das ist, oder umgekehrt: wie mein Blick wohl wäre, wenn der Zwang des Geldverdienens meinen Kulturblick einfärbte…
Ich kann mir nur schwer etwas, das für mich allen gehört, als einen Beruf vorstellen, in dem unter anderem Vergleichbarkeit eine Voraussetzung für jegliches Marktgeschehen (und also auch Bezahlung) ist. So fällt sowohl das Kunst-Erschaffen als für mich möglicher Beruf weg, als in der Folge auch Berufe, die sich mit Kunst auseinandersetzen. Auf der anderen Seite schätze ich einige Menschen, die sowohl das eine als auch das andere als Beruf ausüben – es gibt sie nun mal, diese Studienfächer, die in entsprechende bezahlte Tätigkeiten münden.
Für mich ist es ein Dilemma, das manches Gespräch erschwert, auch schon manchmal unmöglich gemacht hat. (Ich benutze „Kunst“ als „Dachbegriff“ für alles in künstlerischer Absicht Transformierte, ob von Lieschen Müller oder Gerhard Richter umgesetzt.)
Interessant, bei der Blogparade zu lesen, wie viele schon als Kind mit Kunst in Berührung gekommen sind und es sie geprägt hat, aber ich vollziehe das sehr nach. Schön, einen weiteren #kultblick kennenzulernen!
Herzliche Grüße,
Sabine