Kunst mit allen Sinnen ist immer noch das Thema, das mich beschäftigt. Die Sinneswahrnehmung Tasten hat mich dabei wirklich herausgefordert. Überall gilt „Anfassen verboten“ und das ganz besonders im Museum. Doch wie Kunst Tasten, wenn berühren nicht geht? Wahrlich eine Herausforderung, auf die ich zwei Antworten in Form von einfachen Methoden habe.
Kunst Tasten aber nicht anfassen
In den meisten Museen und Ausstellungen gilt noch immer die Prämisse „nicht Anfassen“ und das sicher mit gutem Grund. „Was passiert, wenn man ein Kunstwerk berührt?“ war die Frage an die Kunstkinder. Die Antwort der meisten war in Richtung, dann käme die Aufsicht oder die Alarmanlage geht los oder das Kunstwerk geht kaputt. Eine Antwort überraschte mich dann doch: „Dann kann man Pinselstriche, leichte Unebenheiten des Untergrundes und Struktur tasten.“
Könnte man, ist aber verboten. Das Gehirn erbringt eine wahnsinnige Leistung, wenn es schafft durch reinen Sehen solche strukturellen Dinge spürbar zu werden, wenn man sich vorstellen kann, wie es sich anfühlen WÜRDE. Würde ist mir für die Vermittlungsarbeit aber zu wenig. Es ist tatsächlich eine Herausforderung nach Methoden zu suchen, Kunst zu ertasten, ohne diese zu berühren.
Kunst blind ertasten
In den letzten Jahren haben vermehrt Ausstellungen die Runde gemacht, die sich Blinde als Zielpublikum gesetzt haben. Anfassen ist ausdrücklich erlaubt. Jüngst öffnete das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst in München (Smaek) seine Ausstellung für Blinde (Vgl. art magazine). Nicht mehr eigens für Blinde hergestellte Exponate, sondern die Originale der Ausstellung sind zum Anfassen für einige Blinde freigegeben. Sie ertasten die Werke und erstellen Beschreibungen für einen neuen Audioguide für Blinde. Bereits bei den ersten Begehungen wurde deutlich, dass Blinde Details ertasten, die Sehenden (Fachleuten) noch nicht einmal aufgefallen waren.
Durch die Hände in den Kopf
Wenn es um Kunst Tasten vermitteln geht, dann stellt sich die Frage, welches Kunstwerk dazu geeignet ist. Etwas, das ich sofort an den Fingern fühle, obwohl ich es nur sehe, das mich haptisch sofort gefangen nimmt, obwohl nur optische Reize von ihm ausgehen, ist eine Skulptur Giacomettis. Die rissigen, fetzigen aber doch glatten Bronzefiguren, die matschig wirken und zugleich starr. Diese Gegensätze wecken den Wunsch, sie zu berühren, ihre Oberfläche nachzufühlen, jede Kurve, jede Wulst. Vor allem Giacomettis Spätwerk, etwa die Büste von Diego (Ciavenna Bust I), wirkt auf mich griffig.
Ich hätte mir gewünscht, diese Büste durch die Hände gehen lassen zu können. Mit verbundenen Augen fühlen, welche Form diese Skulptur hat. Da das nicht möglich ist, habe ich mir eine Methode überlegt und andere Kunstvermittler um Hilfe und Erfahrungsberichte gebeten, wie sie Kunst Tasten vermitteln. Tanja Praske von Kultur Museum Talk brachte mich auf eine weitere tolle Idee.
Mit zwei recht einfachen Methoden lässt sich Kunst Tasten wunderbar vermitteln. Ich habe beide im Kunst-Sehen-Workshop mit Kindern zwischen 7 und 11 Jahren getestet und stelle euch beide vor. Die eine Methode hier im Post, die andere im nächsten.
Einfach mal Nachkneten
Tanjas Tipp war Knete. Klingt banal, ist es irgendwie auch, aber genau darin liegt der Reiz. Eine einfache Methode, die jeder kann, die keine lange Erklärung braucht und eben weil das Material bekannt und vertraut ist, liegt die Konzentration auf dem Kunstwerk und dessen Nachempfindung. Für Kinder (und sicher nicht nur da) ein perfektes Mittel.
Mich hat diese Einfachheit direkt begeistert, so sehr, dass ich meine ursprüngliche geplante Methode – die ich im nächsten Post verrate – noch 3 Stunden vor Kursbeginn gestrichen bzw. auf die nächste Stunde vertagt habe.
Für die Knete hatte ich alles vorrätig: 1 kg Mehl, 500g Salz, 6 TL Weinstein oder Zitronensäure, 1,5l heißes Wasser, 8 EL Öl. Um farblich an die Vorlage anzuknüpfen, hatte ich braune Knetmasse mit Kakao hergestellt. Das hatte den günstigen Nebeneffekt, dass es auch den Geruchssinn angesprochen hat. Die Kinder haben das übrigens sofort bemerkt und gemeint, dass es ja nicht nur um Tasten ginge, sondern das Kunstwerk damit auch einen Geruch bekäme.
Ich hatte mich für Diegos Büste (Chiavenna I) entschieden, da sie recht griffig ist und sich in Knetmasse gut nachformen lässt. Die Büsten aus Giacomettis Spätwerk erschienen mir insgesamt passender für das Material Knetmasse als seine Frauen für Venedig mit langen, dünnen (und in Knete kaum standhaften) Beinen.
Vom Groben zum Feinen
Zunächst wirkt Diegos Büste wie ein recht unförmiger Klumpen. Irgendetwas zwischen Matsch und rostigem Metall. Es bedarf des Einlassens, um Details zu erkennen. Das gilt für das Sehen wie auch das Nachformen in Knete. Recht schnell haben die Kinder erfasst, welche Proportionen Kopf, Hals und Oberkörper einnehmen. Sie haben die Armansätze erkannt. Einige Kinder haben die Arme weitergeformt bzw. einen davon als angewinkelt wahrgenommen.
Während der Beschäftigung mit dem Oberkörper und der Frage wie dieser beschaffen ist, haben die Kinder festgestellt, dass der Bauch nicht einfach schmaler wird, sondern dass Muskelansätze in der Skulptur ausgearbeitet sind. Durch die Kombination aus Sehen und Tasten wurden nach und nach mehr Details der Skulptur sichtbar und vor allem greifbar.
Kneten für Abbildungen von Plastiken
Das Nachkneten war in diesem Fall besonders wertvoll: Ich hatte für die Vermittlungsarbeit nur eine Abbildung von Giacomettis Skulptur. Natürlich wäre es immer von Vorteil, vor Originalen arbeiten zu können. Doch nicht immer (oder besser: seltenst) ist das möglich. Eine aufgrund ihres Charakters zweidimensionale Abbildung eines dreidimensionalen Kunstwerkes ist immer abstrakt und irgendwie seltsam, eine Notlösung eben. Durch das Nachkneten entsteht wieder etwas Dreidimensionales, das deshalb in Kombination mit einer Abbildung ein besseres Verständnis und eine bessere Vorstellung des Originals erlebbar werden lässt. Nicht nur, wenn es um Kunst Tasten geht, werde ich Kneten wieder als einfache, aber wirklich hocheffektive Methode einsetzen. Und übrigens: Die Kinder waren restlos begeistert, kneten zu dürfen – etwas mit den eigenen Händen entstehen lassen und etwas mit nach Hause tragen, steht in dieser Altersklasse immer noch ganz weit oben, das sollte in der Vermittlungsarbeit immer bedacht werden.
Liebe Katja,
grandios – so macht mir unser Schlagabtausch auf Twitter Spaß, wenn Ideen sofort umgesetzt werden! Ich saß gerade am Schreibtisch und befasste mich nichtsahnend, was du da im Netz anzettelst mit #Visionengestalten – eine Blogparade der PLATFORM, während beständig mein Handy neben mir brummte.
Dann schaue ich nach und sehe deine Frage: Wie lässt sich Kunst ertasten ohne sie anzutasten? Yep, mir kam auch sofort das Ägyptische Museum in München in den Sinn, aber du fragtest nach Kunst tasten für Kulturkinder. Das Kunstprojekt „Brueghel in 3-D“ iim Bayerischen Nationalmuseum fiel mir sofort ein. Hier hattest du schon deine Knet-Idee im Kommentar angesprochen: http://www.tanjapraske.de/kultur-erleben/kunstblick/pieter-brueghel-3d-volkszaehlung-bethlehem-martina-singer/
Dass die Kinder begeistert sein werden, das dachte ich mir. Dass es zum genauen Sehen anleitet, wünschte ich mir. Voller Erfolg. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass die Kinder gerne etwas im Museum gestalten und das dann gerne mit nach Hause nehmen wollen. Meine Mini fragt zuallererst danach, wenn ich ihr einen Museumsbesuch vorschlage, ob sie denn da etwas machen darf, was sie mit nach Hause nehmen kann. Mit „normalen“ Führungen erwische ich sie kaum mehr!
Mach weiter so!
Herzlich,
Tanja
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